Segelcheck
(prmagazin 09/2002)
Die Crew von public:news steht auf Gegensätze: Seit 1998 meistern die Hamburger Segelfans um Agenturgründer Gerald Gebhardt den Spagat zwischen Marken- und Unternehmens-PR. Mit soliden Kunden trotzen sie den Stürmen, die die Branche seit einiger Zeit erschüttern.
Wer bei public:news anheuern will, braucht eine Art Segelschein. Kein Wunder: Die PR-Profis sind waschechte Nordlichter. Gummistiefel muss allerdings niemand mitbringen. Denn den Segelcheck nimmt nicht der Skipper ab, sondern Agenturkapitän Gerald Gebhardt: Wenn der Geschäftsführer neue Mitarbeiter einstellt, verlässt er sich vor allem auf seinen gesunden Menschenverstand: „Wenn man täglich zehn bis zwölf Stunden zusammenarbeitet, fragen wir uns schon: Könnten wir uns vorstellen, mit der Person eine Woche lang auf einem engen kleinen Boot über die Ostsee zu schippern, oder meinen wir, nach zwei Stunden springen wir alle von Bord?“ Schiffsmetaphorik ist Ehrensache bei den Hamburgern.
Wir - das ist eine Crew von derzeit 16 Mitarbeitern. Je ein Kollege kümmert sich um Redaktion, Kreation/Grafik und Office Management, der Rest verteilt sich auf die beiden Teams Marken-/Produkt-PR und Unternehmens-PR, die Schwerpunkte der Agentur. Das Team Unternehmenskommunikation leitet Gebhardt selbst. Die Marken-PR führt seit Mitte dieses Jahres Susanne Niggl. Die 34-Jährige kam im vergangenen Jahr von Segmenta PR, wo sie für Bacardi zuständig war, zu public:news. Ihr Tagewerk verrichten die Segelfans in einem schicken Altbau in der ABC-Straße nahe dem Gänsemarkt, einer der Top-PR-Adressen der Hansestadt: In unmittelbarer Nachbarschaft haben sich auch die Konkurrenten von Weber Shandwick, Raike Kommunikation und ECC Kohtes Klewes niedergelassen.
Aller Anfang ist schwer
Gründer und Inhaber Gebhardt verdingte sich während seines Marketing- und BWL-Studiums im Printjournalismus (unter anderem Hamburger Morgenpost), später bei der Agentur Reporter PR in Berlin. Im Juli 1998, nach vier Jahren als Leiter Marken-PR von Schwarzkopf & Henkel Cosmetics in Hamburg, hatte er schließlich genug vom Angestelltendasein - und begab sich auf hohe See:
„Ich war schon immer ein Macher-Typ, der gern etwas bewegen will“, so Gebhardts Selbsteinschätzung. „Eine Agentur aufzubauen, schien mir eine passende Herausforderung und zugleich eine Möglichkeit, immer wieder neue, spannende Dinge hinzuzulernen.“ In einem kleinen Zwei-Zimmer-Büro, ein paar Türen von der jetzigen Bleibe entfernt, ruderte Gebhardt zusammen mit einer Assistentin gegen die Herausforderungen der Selbstständigkeit an. Erster Kunde: der ehemalige Arbeitgeber Schwarzkopf & Henkel. „Die ersten anderthalb Jahre waren eine ziemlich anstrengende Zeit. Jetzt freue ich mich auf eine Phase der Optimierung und Neuausrichtung“, erzählt Gebhardt.
Der Einsatz hat sich offenbar gelohnt: 1999 zählte die Agentur nach eigenen Angaben bereits neun Mitarbeiter und sechs Klienten sowie einen Umsatz von rund einer halben Million Euro. „Wir hatten Glück“, freut sich der Teamchef. „Kurz nach Gründung der Agentur kam ein schöner Schwung in die Branche, so dass wir mit neuen Auftraggebern wachsen konnten.“
Freunde der steifen Brise
Unter den Neukunden waren viele mittelständische Unternehmen, etwa Europas größter Dusch- und Badewannenhersteller Franz Kaldewei, für den Gebhardts Team bis heute die Marken- und Produkt-PR besorgt. Von den Unwettern, die die Branche erschütterten, blieben die Freunde der steifen Brise dank solider Kundenstruktur weitgehend verschont. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete eine damals 18-köpfige Besatzung bereits 1,43 Millionen Euro.
Aktuell arbeitet die Mannschaft unter anderem für die Allianz Versicherung Norddeutschland, CONOCO MINERALOEL/JET (beide Unternehmenskommunikation) und für das Schuhhaus Ludwig Görtz (Marken- und Produkt-PR). Einen ansehnlichen Etat bringt auch die Fashion-Firma NAUTICA, Salzburg/Connecticut, ein (Kommunikation, Produkt-PR, Marken-PR, Events).
Der derzeit größte Auftraggeber kam vor etwas mehr als einem halben Jahr an Bord: die Recyclingfirma Cleanaway Deutschland, Teil der gleichnamigen europäischen Entsorgungsgruppe. Als die Zusammenarbeit begann, hieß das Unternehmen mit seinen 140 Tochtergesellschaften und Beteiligungen noch SKP Recycling. public:news managte den Wandel, angefangen bei Planung und interner Kommunikation. Das Team sorgte für Mitarbeiterinformation, organisierte Mitarbeitertage und schnürte Infopakete. Die Phase der externen Kommunikation startete im Mai mit der Recycling-Fachmesse IFAT in München (Messeauftritt, Pressekonferenzen, Journalistenreise/-gespräche). Dazu kamen Medien- und Kameratraining für den Vorstand.
Klassische Marken-Beratung
Für die 140 Töchter von Cleanaway entwickelte die Agentur Baukästen, die den Kommunikatoren an allen Standorten vermitteln sollen, wie PR-Arbeit im Sinne der neuen Marke funktioniert. In Kooperation mit Spezialdienstleistern für Internet und Event überwachen die PR-Experten, dass Positionierung und Markenbotschaften eingehalten werden. Im Herbst, zur Messe Entsorga, soll der Change-Prozess abgeschlossen sein. Was das Portfolio angeht, so sieht Gebhardt den Schwerpunkt von public:news in der Marken-Beratung. Viel Gewicht liegt neben klassischer PR-Arbeit auf Publikationen wie Mitarbeiterzeitungen, Imagebroschüren, Geschäftsberichten, Info-Foldern und Newslettern. Weitere Schwerpunkte: Medienarbeit (Journalisten-Workshops, Medienkooperationen, Redaktionsbesuche), Online-PR (virtuelle Pressebüros, E-Mail-Verteiler, Newsletter) und Erfolgsmessung (Medienresonanzanalyse, Monitoring, Imagestudien).
Brückenschlag
public:news versteht sich als „Kommunikations-Agentur, die vernetzt denkt und ganzheitliche Lösungen entwickelt“, so der Agenturchef. „Wir machen zwar keine klassische Werbung oder Internet-Programmierung, aber wir arbeiten trotzdem generalistisch.“ Heißt im Klartext: Bei Bedarf holen die PR-Experten weitere Spezialisten ins Boot. „Wenn ein Kunde sagt: Ich habe nur ein begrenztes Budget, das reicht nicht, um eine Werbe-, Dialog-, PR- und Internetagentur zu engagieren, können wir als Leitagentur diese Disziplinen mit anderen Kommunikations-Profis anbieten“, sagt Gebhardt. Die Brücke in fremde Gefilde schlägt public:news beispielsweise für Kunden wie Coca-Cola Deutschland, Ludwig Görtz oder die Europäische Stahl-Allianz. Ausruhen will man sich darauf jedoch nicht. Dank eigener Grafik (ein Art Director und eine freie Grafikerin) kann die Agentur ferner auch einen Großteil der anfallenden Designjobs übernehmen, etwa Corporate Design, Logogestaltung und Imageanzeigen.
Kurz, knapp, klar
Damit auch Neueinsteiger diesen Ansatz frühzeitig verinnerlichen, stehen während der zwölfmonatigen Ausbildung Abstecher in Redaktionen, Werbeagenturen oder zu anderen Dienstleistern wie Druckereien und Litho-Anstalten auf dem Plan. Das wirkt pragmatisch. Und das ist auch das Image, das die Hamburger nach außen transportieren wollen. „Kurz, knapp, einfach, klar und direkt“, umschreibt Gebhardt die Haltung, mit der er seinen Kunden begegnen will. Für die Zukunft hat er sich deshalb vorgenommen, das Agenturprofil weiter zu schärfen.
Nachdem Ralph Kappes, bis vor einigen Monaten zweiter Geschäftsführer, wegen unterschiedlicher Vorstellungen über den Weg der Agentur ausgestiegen ist, will Gebhardt seine Firma nach dem Wachstum der ersten Jahre mit einem anderen Partner neu ausrichten. „Wir wollen ein differenziertes Angebot für Unternehmenskommunikation entwickeln und setzen dabei verstärkt auf die Bedürfnisse von Firmenlabels in den sich immer schneller verändernden Märkten.“ Eine gute Voraussetzung, um auch bei wechselnden Winden stets sicher wieder an Land zu kommen. Auf hoher See wie im täglichen PR-Leben.
Christina Ullrich